Liebe Freundinnen und Freunde der Henner Will Stiftung, Sie haben bestimmt sich gefragt, warum sich unsere Stiftung eben für die Bildung einsetzt und vor allem sich auf benachteiligte Kinder und Jugendliche konzentriert?
Es gibt viele andere Stiftungszwecke – Unterstützung der Wissenschaft und Forschung zum Beispiel. Letztendlich war Henner Will ein junger Wissenschaftler. Daher könnte man auch das als geeigneter Zweck auswählen.
Gerne möchte ich Ihnen etwas mehr von dieser Idee erzählen.
Seit Kindheit an hatte ich persönlich ganz großen Wissensdurst. Meine Mutter hat immer gesagt, dass ich die Unermesslichkeit umfassen möchte. Mich haben alle möglichen Themen gereizt – Geschichte von Ägypten, Kunst, Psychologie, Design etc. In den Ferien, wenn sich andere Kinder dem Spielen gewidmet haben, habe ich mich in meinen Büchern vergraben und dadurch spannende Zeitreisen unternommen. Sowohl an der Schule, als auch an der Uni habe ich mich jeden Tag gefreut, so viel Neues von den Lehrern oder Professoren zu erfahren. Da muss ich immer an die Definition von Peter Bieri denken, der mal gesagt hat, dass die Bildung mit der Neugierde beginnt. Und das stimmt. Allerdings braucht diese Neugierde wie ein kleiner Samen – einen fruchtbaren Boden. Und dieser Boden bedeutet unsere Umgebung – Familie, Schule, Freundeskreis.
Ich habe ganz großes Glück, eine liebevolle und immer unterstützende Mutter zu haben, die ohne selbst einen Hochschulabschluss zu haben, ganz viel dafür getan hat, um mir eine gute Bildung in der Ukraine zu geben. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar.
Als ich nach Deutschland mit einem DAAD-Stipendium kam, war ich für diese Chance, im Ausland zu studieren, dem Leben so dankbar, dass ich irgendwann mit 20 Jahren gedacht habe: „Eines Tages möchte ich auch den anderen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, gute Bildung zu bekommen“. So ist bereits damals die Idee mit der Stiftung entstanden – erst in meinem Kopf.
Jetzt nach acht Jahren ist es soweit – die Stiftung ist gegründet. Es ist ein kleiner Start. Aber jedes Feuer fängt mit einer kleinen Flamme an. In diesen Jahren hat sich für mich auch die Bedeutung der Bildung noch mehr zugenommen. Das deutsche Bildungssystem hat mich etwas überrascht, denn in meinem Land haben alle Kinder die Möglichkeit, nach der Schule an der Uni zu studieren. Das hängt vom Willen und von Kenntnissen der Abiturienten ab. In Deutschland wird dagegen die Entscheidung über den Bildungsweg schon deutlich früher getroffen. Und zwar nicht von Schülern selbst, sondern vom System. Mit 10 Jahren werden die Kinder vom Bildungssystem „selektiert“ und so wird automatisch ihr Bildungsweg festgelegt. Dadurch gehen vielleicht ganz viele unentdeckte Talente und damit Zukunftsperspektiven verloren. Und mal ehrlich – weit nicht alle machen in so einem frühen Alter ihre Wunderkind-Karrieren. Albert Einstein war auch nicht der Beste in der Klasse und seine Leistungen in vielen Fächern wurden von Lehrern als „kümmerlich“ eingestuft.
Heutzutage wird von Kindern erwartet, dass man in allen Fächern gut ist und dass man so früh wie möglich seine Talente entwickelt. Am liebsten würde man heute sowieso nur Manager und Ingenieure ausbilden. Denn diese Berufe gelten als bodenständig und die mit dem Prestige. Da kann kein Künstler mit seiner „brotlosen Kunst“ mithalten. Bitter, dass in unserer Gesellschaft so wenig Wert auf Kunst gelegt wird. Viele begabte Kinder werden oft davon abgehalten, das zu studieren, was ihnen Spaß machen. Und noch mehr schaffen nicht, herauszufinden, was ihnen Spaß und Freude macht und wofür sie brennen.
Wenn wir zurück zu Einstein kommen, dann darf man auch nicht vergessen, dass er mit fünf Jahren schon Privatunterricht bekommen und viel Interesse an Naturwissenschaften gezeigt hat. Leider haben heutzutage viele Familien keine Möglichkeit, ihre Kinder zu unterstützen – sowohl aus finanziellen Gründen, als auch deshalb, weil sie sich selbst im recht komplexen deutschen Bildungssystem nicht auskennen. Was sollen diese Kinder machen? Wenn sie keine Unterstützung von Eltern bekommen und sich alleine durchkämpfen müssen? Und wenn das Bildungssystem für sie entscheidet, auf welche Schule das Kind geht?
Wenn wir bewusste und verantwortungsvolle Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft erziehen wollen, dann sollen wir auch die Chance auf die Selbstbestimmung, die Unterstützung und Bildungsmöglichkeiten den Kindern und Jugendlichen anbieten, die es schwerer haben, als die anderen.
Deshalb wollen wir im Rahmen der Fördertätigkeit der Henner Will Stiftung eben die Projekte unterstützen und mit gestalten, die den benachteiligten Kindern und Jugendlichen eine Chance bieten, ihre eigenen Talente und Stärken zu entdecken und diese mit der Bildung zu fördern. Wir wollen Kinder ermutigen, ihre Neugierde – und damit die wichtigste Voraussetzung für die Bildung – beizubehalten und Motivation zu entwickeln, um ihre Talente zu entfalten.
Da Henner auch eine gute Bildung bekommen hat und das immer zu schätzen wusste, glaube ich, liegt das auch in seinem Sinne, dass wir eben Bildung als Stiftungszweck ausgewählt haben.
Wir freuen uns sehr auf Ihre Unterstützung!
Lena Stelmachenko